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Klimabäume ökologisch

Mittlerweile ist es mit den „Klimabäumen“ fast so, wie bei der Blühmischungsflut. An gefühlt jeder Straßenecke bekommt man erzählt, welche Gehölze sich unter Klimawandelbedingungen besonders gut für die Verwendung im Siedlungsraum eignen. Listen, Broschüren, wissenschaftliche Publikationen und sogar Internetportale zu diesem Thema schiessen wie Pilze aus dem Boden. Nahezu alle dieser Projekte haben aber eins gemeinsam: Aus ökologischer Sicht sind sie mangelhaft bis nutzlos.

Häufig werden nur exotische Arten, oder von der „Grünen“ Branche lancierte Arten betrachtet. Ökologische Aspekte, wie etwa der Nutzen für pflanzenfressende Insekten, werden – wenn überhaupt – höchstens am Rande erwähnt. Mit etwas Glück, fliesst noch der Nutzen für Bestäuber in die Empfehlungen ein. Dass durch die Verwendung exotischer Gehölze 90% der heimischen pflanzenfressenden Insekten ausgesperrt werden, interessiert scheinbar keinen. Besonders bedenklich ist das unter dem Aspekt, dass der Siedlungsraum auf Grund der fortschreitenden Zerstörung wertvoller Naturräume, nachgewiesenermassen immer mehr zum fast einzigen verbliebenen Rückzugsort für seltene und bedrohte Tierarten wird. Das Artensterben wird so auch immer mehr im Siedlungsraum entschieden.

Ebenso wenig spielt der Aspekt eine Rolle, dass durch die Einfuhr und Verbreitung exotischer Gehölze Krankheiten und fremde Pflanzenfresser in unser Ökosystem eingeschleppt werden, auf die die heimische Natur nicht eingerichtet ist. Stichworte dazu sind zum Beispiel das Ulmensterben, das Eschentriebsterben oder der Ahorn-Stammkrebs. In den Herkunftsregionen dieser „Schadorganismen“ haben sich ihre Wirte angepasst. Eine ostasiatische Eschenart verstirbt nicht am Falschen Weißen Stengelbecherchen. So wurde der Pilz getauft, der das Eschentriebsterben bei unseren heimischen Eschen verursacht, das meist zum Tod der befallenen Eschen führt. Die nordamerikanische Sitka-Fichte kann mit der Sitka-Fichtenlaus leben, wohingegen die heimische Gemeine Fichte keine Abwehrmechanismen gegen diese Art entwicklen konnte. Stichwort: Koevolution.

Doch dass ist noch lange nicht das einzige Problem. In einem intakten Ökosystem existieren „Nützlinge“ und „Schädlinge“ in einem fein austarierten Gleichgewicht. Pflanzen gehen Lebensgemeinschaften mit Bakterien und Pilzen ein, die förderlich für ihre Gedeihen sind. Pflanzenfresser widerum fressen Teile von Pflanzen und wandeln damit pflanzliche in tierische Biomasse um. Diese dient dann vielen Fleisch- und Allesfressern als Nahrungsgrundlage. Und das sind bei weitem nicht nur Fuchs, Wolf und Wildschwein. Auch eine Menge anderer Tiere leben von tierischer Biomasse, man denke an Fledermäuse, Igel oder Molch. Viele Insekten fangen andere Insekten, um damit ihren Nachwuchs aufzuziehen, genau so wie die meisten Singvögel.

Wenn wir aber in dieses Gleichgewicht eingreifen, indem wir fremde Arten einbringen, wissen wir meistens garnicht so genau, was wir da eigentlich tun. Ob die Honigbiene den Nektar der Blüten verwerten kann, oder das Eichhörnchen die exotische Nuss frisst, nehmen wir vielleicht gerade noch wahr. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Was im Boden passiert oder wie hochspezialisierte Pflanzenfresser mit dem fremden „Futter“ umgehen, wissen wir schlicht und einfach nicht. Davon ausgehen, dass das alles schon irgendwie funktionieren wird, können wir nicht. Jede Pflanze produziert Abwehrstoffe, die Teil des genannten Gleichgewichts sind. Über Jahrmillionen haben sich Pflanzenfresser daran angepasst, diese Stoffe zu umgehen, und die Pflanzen trotzdem befressen zu können, worauf die Pflanze wiederum reagiert. Das kann man sich vielleicht wie ein ewiges Wettrüsten zwischen Pflanze und Pflanzenfresser vorstellen.

Damit landen wir wieder bei der Koevolution. Und genau diese gab es zwischen exotischen Pflanzen und heimischen Pflanzenfressern nicht. Deshalb tragen wir – egal ob bewusst oder zufällig – mit der Pflanzung exotischer Bäume aktiv zur Reduzierung der Biodiversität bei. Da nur wenige Tiere überhaupt von Exoten leben können, wird dem natürlichen Nahrungskreislauf massiv Biomasse entzogen. Und so führt eines zum anderen: weniger nutzbare Pflanzenmasse ergibt weniger verfügbare Insektenmasse ergibt weniger Vögel, Igel, Fledermäuse…

Nun könnte man argumentieren, dass es ja nur um ein paar Bäume geht, und bei (scheinbar) besserer Eignung die wenigen Exoten nicht so ins Gewicht fallen, wenn wir gleichzeitig mehr heimische Sträucher pflanzen und Flächen mit heimischen Wildblumen anlegen. Was gegen dieses Argument spricht, ist das hohe Alter, dass ein Baum bei richtiger Pflanzung am passenden Standort erreichen kann. Ein heimischer Baum hat ein Riesenpotential ein stabiles Ökosystem über einen langen Zeitraum zu schaffen. Vergleicht man beispielsweise die exotische Robinie, die immerhin schon mehr als 100 Jahre als invasiver Neophyt Teil unseres Ökosystems ist, mit der heimischen Traubeneiche, wird das mehr als deutlich.

Die Robinie nützt ca. 60 Tierarten, darunter Honigbienen, einigen nicht-spezialisierte Wildbienen und diversen Generalisten unter den Vögeln, auch Eichhörnchen knabbern Robiniensamen. Von der Traubeneiche leben mehr als 1000 (kein Schreibfehler!) Tierarten. Darunter z.B. 48 gefährdete Käferarten der Roten Listen und 30 monophage Großschmetterlinge, aber auch mindestens 255 Pilze. Vergleicht man diese Zahlen, wird ein wenig klarer, was wir anrichten, wenn unsere Wahl auf einen exotischen statt eines heimischen Baums fällt.

Aber auch das ist noch nicht alles. Über die Anpassungsleistung und Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Bakterien und Pilzen haben wir bisher noch nicht einmal ansatzweise nachgedacht. Leider wissen wir zu diesem Thema immer noch viel zu wenig. Fakt ist aber, dass die dabei entstehenden Symbiosen wesentlich zum Gedeihen der Pflanzen beitragen, und die Resistenz gegenüber „Schadorganismen“ stärken. Aber auch andere Faktoren spielen eine zunehmend wichtigere Rolle.

Grundsätzlich zwingt uns der Klimawandel dazu, besonders sorgfältig über die Verwendung von langlebigen Pflanzen wie Bäumen und Sträuchern nachzudenken. Ob die ausgewählte Art gut an den vorgesehenen Standort passt, entscheidet immer häufiger über das Überleben des Individuums. Besondere Wichtigkeit bekommt so die Verwendung von gebietsheimischen Pflanzen. Diese sind an das vor Ort herrschende Klima besser angepasst. Eine aus dem luftfeuchten norddeutschen Klima stammende Eberesche hat im trocken-heißen Franken schlechtere Überlebenschancen als eine aus regionaler Herkunft.

Aber auch die bautechnische Gestaltung der Pflanzflächen und -plätze gewinnt immer mehr an Bedeutung. Winzige Baumscheiben mit Splittmulch, zu kleine Baumgruben für zu große Bäume, Pflanzflächen ohne Anschluss an Unterboden und Grundwasser (z.B. Tiefgaragendächer etc) sind dringend zu überdenken. Vielleicht gehört der klassische Straßen- und Parkplatzbaum, der zwischen versiegelten Flächen Umweltbelastungen wie Feinstaub, Strahlungshitze oder Streusalz wegstecken soll, irgendwann sogar ganz der Vergangenheit an. Bäume haben bessere Überlebenschancen, wenn wir grüne Inseln in unseren Städten schaffen und sie dort pflanzen. Je größer, desto besser auch für das gesamte Stadtklima.

Die von uns zusammengestellte Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll vielmehr als Inspiration zur vermehrten Verwendung heimischer Baumarten sowie einiger geeigneter Arten aus angrenzenden Florenregionen dienen. Alle diese Arten sind – neben ihrer Tauglichkeit für die Pflanzung in Städten unter den sich klimawandelbedingt verschärfenden Umweltbedingungen – wertvoll für unsere heimischen Tiere. Und zwar nicht nur für Blütenbesucher, sondern insbesondere für die Pflanzenfresser unter ihnen. Download Liste Bäume für Städte im Klimawandel