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Regenwasser-Versickerung

Wir führen ein falsches Leben. Wir sind unfähig, schnell und wirksam auf die Anforderungen einer immer ungewisser werdenden Gegenwart zu reagieren. Wir halten krampfhaft an zukunftsuntauglichen Lösungen der Vergangenheit fest.

So ist auch unser Umgang mit dem Regenwasser geprägt von überholten Normen. Ziel des Regenwasser-Managements war früher, alles Regenwasser schnell aus dem Siedlungen heraus zu bekommen. Das erwies sich als verkehrt, weil es flußabwärts zu Überschwemmungen führte.

Das nächste Ziel war, das Regenwasser möglichst lange vor Ort aufzuhalten und am besten unterirdisch zu speichern, um es nach und nach ins Grundwasser einsickern zu lassen. Dafür haben wir technische Lösungen gefunden, z.B. baut dass man an der Oberfläche große Versickerungsmulden oder unterirdische Versickerungseinrichtungen, sogenannte Rigolen.

Aber die Gegenwart fordert uns inzwischen neu heraus. Durch den Klimawandel nehmen die Regenwassermengen punktuell einerseits spürbar zu, was sich an den immer massiveren lokalen Starkregen-Ereignissen ablesen lässt. Andererseits wird es in den Zeiten dazwischen deutlich trockener. Ideal wäre es jetzt, Starkregenwasser möglichst schnell aus den Gefahrenzonen wegzubekommen, um es dann, bitte, für die Trockenzeiten doch nicht so schnell versickern zu lassen.

Damit nicht genug, denn nun kommt eine weitere Herausforderung auf uns zu, ebenso massiv wie der Klimawandel: das Artensterben. Das an anderer Stelle vielfach vor allem politisch erklärte Ziel soll es sein, dass der Siedlungsbereich so biologisch aufgewertet wird, dass er dem Artensterben entgegenwirkt. Wie immer, ist das ein fiktives Ziel, das in der Gegenwart nie erreicht werden muss, weil man ja vorhat, es 2030 oder 2040 oder so zu erreichen. Dabei brauchten wir schon jetzt weniger technische, dafür um so bessere biologische Lösungen für das Regenwasser.

Denn eines ist klar: Wir Naturgartenplaner verwenden in unserer Praxis seit jeher gut funktionierende Lösungen für alle die genannten Problematiken. Naturnahes Grün ist das beste Beispiel für eine biologisch angepasste, ökologisch hochwertige Regenwasserrückhaltung und Versickerung. Wir bauen schon seit Jahrzehnten lebendige Gärten, in denen jeder Tropfen Wasser genutzt, bespielt, gezeigt und heiß begehrt wird: Regenwasser als Erlebnis und eben als Lebenselement. Die Idee der Schwammstadt, einem Wasser haltenden und dosiert abgebendem Siedlungsbereich, findet sich im naturnahen Grün schon lange.

Mit Sumpf- und Wassergräben, Wasserspielgeländen, temporären oder dauerhaften Naturteichen und vielem mehr halten wir das zu viele Wasser nicht nur lange im Gelände, sondern schaffen dadurch auch Leben für feuchtigkeitsliebende Mitbewohner. Auch sieht unsere Art von Versickerungsgräben komplett anders aus als die technische: Hier pulsiert das pure Leben dank Ansaaten und Pflanzungen mit heimischer Flora.

Schauen wir jedoch in die verantwortlichen Normenwerke Deutschland, so stossen naturgärtnerische Lösungen schnell an deren Grenzen. Die technischen Vorschriften zur Regenwasserversickerung der DAW 138 verlangen zum Beispiel mit Oberboden ausgekleidete Versickerungsmulden, die mit Rasen begrünt sein sollen. Rezepte der Vergangenheit. Oberboden bietet im Hinblick auf Artenreichtum geringere Möglichkeiten als jedes andere, von uns gern verwendete mineralische Substrat. Und wie Rasenflächen in Zeiten des Klimawandels aussehen, zeigt ein Blick in unser Buch zum Thema. Außerdem: Verbrannter Rasen kann kein Wasser reinigen.

Unsere hier präsentierte Form der Regenwasserversickerung erfüllt alle Anforderungen der Zukunft in Bezug auf Klimawandel, Artensterben und Biodiversität, nicht nur die technischen. So, jetzt müssen Sie überlegen, ob sie lieber der Zukunft begegnen wollen oder der Vergangenheit.

Starkregenereignisse brechen im unvorstellbarem Ausmass über uns herein. Ein natürliches Regenwassermanegement wird wichtiger denn je. Nur, da gibt es ein paar Hindernisse. Überholte Normen, veraltete Regeln, falsche Vorstellungen. Hier ein Zeitschriftenbeitrag aus Stadt und Grün 7/ 2021 (PDF, 3 MB) von Reinhard Witt.