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Exotisch vs. heimisch?

Damit wir hier nicht ewig schreiben und diskutieren müssen, eine Zahl vorweg. 90 % unserer heimischen pflanzenfressenden Insekten sind von den bei uns heimischen Wildpflanzen abhängig. Nur sie konnten die in der Evolution von den Pflanzen gegen hungrige Besucher erfundenen Abwehrmechanismen überwinden. Keine Pflanze liebt es aufgefressen zu werden. Also produziert sie gegen unliebsame Blattfresser so viel es geht Gifte, Gällstoffe, Öle, Kleber, Haare oder erfindet andere Abwehrtaktiken. Für die Pflanzenfresser war die Überwindung dieser Barriere in jedem Einzelfall sehr aufwendig. Für eine bestimmte Pflanzenart, -gattung oder -familie haben es deshalb immer nur wenige Tierarten geschafft, die Pflanzen trotzdem aufzufressen. Sie können die Abwehrgifte im eigenen Stoffwechsel neutralisieren oder die Abwehrmechanismen sonst wie überwinden. Das ist der Grund für die hohe Spezialisierungsrate unserer Tiere auf bestimmte Pflanzen. Und weil pro Pflanzenart eben nur ein begrenzte Zahl an Tieren deren Abwehrschwellen überwunden hat, das aber bei vielen Pflanzen sehr viele Tiere geschafft haben, heißt dies, dass unsere Pflanzen- und Tierwelt biologisch sehr divers ist. Im Grunde sind 90 % der pflanzenfressenden Insekten also Spezialisten für Pflanzen: aber jeweils für nur sehr wenige Arten oder sehr bestimmte.

Zur Erläuterung ein Experiment: Sie können die Wildform des Hornklees, das Futter einer bestimmten Bläulingsraupe, nicht gegen die Blätter des Faulbaums tauschen, der einer anderen Bläulingsart als Nahrung dient. Geschieht das dennoch, sterben beide Raupen an den Abwehrgiften der falschen Raupenfutterpflanze. Dies kann sogar passieren, wenn man die heimische Wildform gegen eine landwirtschaftlich gezüchtete Sorte, eine Kulturform, auswechselt. Auch daran stirbt nicht nur die Faulbaum-Bläuling, sondern sogar der Hornklee-Bläuling.

Logisch um so mehr, dass man nicht einfach das Blütenangebot tauschen kann und die Welt der bedrohten Insekten ist wieder heil. Sonnenhut und Sonnenblumen aus Nordamerika helfen allenfalls Honigbienen (dem für Menschen drittwichtigsten Haustier der Welt). Verlassen wir jedoch die Ebene unspezialisierter Blütenbesucher und betreten die Welt der blätterfressenden Nahrungsgeneralisten, dann werden sogar unsere 10 % heimischen, nicht auf bestimmte Futterpflanzen festgelegten Insekten Probleme mit den Blättern vieler Exoten haben.

Doch nicht nur, dass Pflanzen aus aller Herren Länder 90 % der Insekten aus Grünanlagen, Gärten, Firmengeländen, Spielplätzen oder Schulhöfen eliminieren, sie schaden auch allein schon deshalb, weil jeder Rhodendron, jede Geranie, jede Kosmee, jede Raublattaster den Futterplatz einer für die Tiere lebensnotwendigen heimischen Wildpflanze wegnimmt.

An diese Stelle dürfen wir die Grundsatz-Diskussion beenden. Alles ist (bio-)logisch. Wer anderes behauptet, verbirgt seine wahren Interessen. Deshalb brauchen wir uns höchstens kurz darüber wundern, wie viele Trittbrettfahrer inzwischen auf den Zug des Artensterbens aufgesprungen sind. Um damit ihre völlig unzureichenden und kontraproduktiven Blühmischungen, angeblich insektenfreundliche Pflanzen oder das eine oder andere Rettet-die-Bienen-Paket zu verhökern. Wer nicht genug weiß und ein Herz für Tiere hat, kauft alles.

Bedeutet das jetzt, das wir von Ihnen verlangen, auch die letzte Lorbeer-Kirsche in Ihrem Garten rauszureißen? Nie mehr Lavendel? Keine gefüllt blühende, wunderbar duftende Essigrosen-Sorte mehr? Nie mehr? Echt jetzt?

Nein natürlich nicht. Heimische Pflanzen haben für uns grundsätzlich Vorfahrt im naturnahen Grün. Trotzdem verwenden sogar wir Naturgärtner nicht heimische Pflanzen. Dafür gibt es gute Gründe:

  • es handelt sich um wertvolle Kulturformen, beispielsweise Obst- und Gemüsesorten
  • bei naturnahen Gartenrosen sind manche Sorten wegen/ trotz (halb-)gefüllter Blüten als Pollenspender und Fruchtträger interessant(er) für Mensch & Tierwelt
  • auch bestimmte Züchtungen (Sorten) von Wildblumen sind attraktiv für Insekten
  • der Klimawandel fordert von uns hitze- und trockenheitsverträgliche Ergänzungen. Hier bleiben wir wegen unserer noch dazu noch passenden Tierwelt aber bei Wildformen aus Südost- und Südeuropa.

Und wie gehen wir mit Exotengärten oder -pflanzungen um? Alles rausreißen? Wegbaggern? Absägen? Das kommt darauf an. Auf den Grünraum, die Besitzer oder Nutzer, die Ziele. Alte, eingewachsene Bäume und große Sträucher sind grundsätzlich tabu. Für größere Flächen – Staudenbeete, Gehölzgruppen, Hecken – an denen das Herz/ der Geldbeutel des Besitzers hängt, bieten sich Methoden zur Ergänzung des Bestandes durch heimische Pflanzen an. Zuweilen wandeln wir ganze Gärten auf sanfte Art um, Standort für Standort, Stück für Stück, Pflanze für Pflanze. Doch das braucht Zeit.
Aber egal wohin die Reise am Ende geht, wir finden gemeinsam eine Lösung für mehr heimisches Grün, die alle Beteiligten zufrieden stellt.