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Blumenwiese oder Blühfläche?

Wir brauchen nicht lange zu suchen, um eine Blühmischung für den Garten oder das öffentliche Grün zu finden. Aberdutzende Angebote tummeln sich auf dem Markt: Blühflächen für Bestäuber, Blühmischungen für Nützlinge, Blühstreifen für den Ackerrand. Es ist Zeit für eine Klärung. Was eigentlich bedeutet dieses Modewort Blühfläche? Wie stehen die erst vor relativ kurzem aufgekommenen Blühmischungen zu althergebrachten Begriffen wie Wildblumenwiese? Gibt es da Unterschiede? Und wenn ja, welche?

Blumenwiese – was ist das?

Die Wissenschaft hat bislang das Wort Blumenwiese nicht sauber definiert. Das öffnet natürlich Trittbrettfahrern Tür und Tor. Wenn keiner genau weiß, was eine Blumenwiese eigentlich ist, kann fast alles, was irgendwie blüht und auch noch Gras hat, eine Blumenwiese sein. Botaniker befassen sich generell mit Grünlandgesellschaften. Dazu gehört zwar auch die Blumenwiese, aber was genau das ist, fehlt. Auf Wikipedia findet sich folgende Definition: „Als Blumenwiese werden umgangssprachlich artenreiche Wiesen (gelegentlich auch andere Grünlandgesellschaften) bezeichnet, die viele blühende krautige Pflanzen (Blumen) aufweisen. Diese Wiesen sind in vergangenen Jahrhunderten durch damals übliche traditionelle Formen der landwirtschaftlichen Bodennutzung unbeabsichtigt von selbst entstanden, heute aber in der Regel nur durch besondere Maßnahmen zu erhalten oder ggf. neu zu begründen.“

Das Allgemeinverständnis hilft nur begrenzt weiter. Blühende krautige Pflanzen können auch nordamerikanische Sonnenhüte sein oder eben für hiesige „Blumenwiesen“ typische heimische Wildpflanzen wie Wiesen-Salbei oder Wiesen-Margerite. Der Hinweis auf die traditionelle landwirtschaftliche Nutzung führt allerdings weiter, was ja auch bei den Botanikern deutlich wird, wenn sie über Grünlandgesellschaften sprechen. Es handelt sich um sehr alte Bewirtschaftungsformen aus der Landwirtschaft. Das sind natürlicherweise die vielen Erscheinungsformen von Blumenwiesen, und weil sie so alt sind, bestehen sie ausschließlich aus heimischen Wildblumen. Die ältesten wirtschaftlich genutzten Wildblumenwiesen finden sich wohl auf den Almen im Alpenraum. 500 oder 1000 Jahre lang werden sie bereits beweidet und/ oder zur Heugewinnung gemäht.

So sieht eine alte Blumenwiese in den Alpen aus.

Blühflächen oder was?

Und jetzt kommen die Blühflächen. Was haben sie mit unseren ursprünglichen Blumenwiesen zu tun? Betrachten wir das in der historischen Entwicklung, verstehen wir besser, was auf dem Markt gerade passiert. Worte wie Blühfläche oder Blühmischung stammen aus den 90er Jahren. Dieter Felger, damals Stadtgärtnermeister in Mössingen, erfand den sogenannten Mössinger Sommer, der heute noch vertrieben wird, und 35 einjährige, bunt blühende Arten enthält. 2004 starteten die ersten acht offiziellen Versuchsflächen in Mössingen. Die Idee, statt aufwendig zu pflegender Rasenflächen oder teurer Wechselflorbeeten bunte, einjährige Exotenmischungen zu verwenden, schlug durch. Ein Riesengeschäft. Dieter Felgers Saatgut-Manufaktur vertreibt noch heute diese und andere Mischungen. Bald sprangen auch andere auf den Zug auf, viele Saatgutproduzenten schufen eigene Produktlinien für Blühflächen, Blühmischungen oder Blühstreifen.

Viele Blühmischungen enthalten frostempfindliche Exoten, wie z.B. Cosmeen (hier im Bild).

Anfang der 2000er Jahre begann die Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim, diese Art von Ansaten zu testen und zu propagieren. Wissenschaftler der LWG fingen mit Versuchen mit allen möglichen Exotenmischungen an. Das Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau wollte und sollte sich hiermit profilieren. Es ist bis heute einer der wichtigsten politischen Vertreter und Befürworter dieser Art von Blühmischungen. Nicht nur das, es streut in seinen wissenschaftlichen und mehr noch in populären Veröffentlichungen ständig Zweifel an der Definition und Wertigkeit von echten Blumenwiesen aus heimischen Arten. Eine Mitarbeiterin der LWG vertrat noch 2020 bei der Naturgarten-Intensiv-Tagung zum Thema Klimawandel ( Download Tagungsband 2020 – Klimawandel ) die Meinung, dass 1. eine Blumenwiese nicht länger hielte als fünf Jahre und 2. die Bevölkerung diese langweiligen heimischen Ansaaten nicht akzeptieren würde. Sie müssten durch die Beimischung von exotischen Arten aufgepeppt werden. Der Slogan war: Blumenwiese 2.0. Deswegen entwickelte die LWG unter anderem Hybridmischungen aus exotischen und heimischen Arten.

Der Begriff Blühmischung etablierte sich durch tatkräftige Unterstützung von weiteren Fachverbänden und Institutionen des Gartenbaus schnell als bunte, bei der Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommene Alternative zu Rasenflächen oder Blumenbeeten.

Irgendwann begannen die globalen Saatgutvermarkter dann ihre exotischen Blühmischungen sogar als Blumenwiesen zu bezeichnen bzw. anzupreisen. Cleveres Marketing. Nun konnten sie nicht nur die gärtnerische Fraktion als Kunden erreichen, sondern auch naturschutzorientierte Käufer hinzugewinnen. Fakt ist, dass die meisten Käufer nicht in der Lage sind, Qualität und Inhalt einer Blühmischung zu bewerten. Oft fehlt ja auch ganz bewußt die genaue Artenliste, von einer Mengenzusammensetzung kann man nur träumen. Die Folge davon ist, dass die Worte Blühfläche und Blumenwiese heutzutage von vielen synonym verwendet werden. Keiner kennt mehr den Unterschied.

Besonders schön in diesem Zusammenhang das immer häufiger verwendete Hybridwort „Blühwiese“. Hauptsache, wir tun was für Bienen. Wobei da meistens die Honigbiene gemeint ist, das drittwichtigste Haustier der Welt. Selbst wenn Honigbienen solche Blühmischungen befliegen, hat dies nichts mit Biodiversität oder gar Naturschutz zu tun. Wir wissen inzwischen aus zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass diese Mischungen nichts oder nur sehr wenig zum echten Artenschutz beitragen. Sie gehören gerade im landwirtschaftlichen Bereich zur Strategie des Greenwashing, wo man Gutes behauptet, aber oft das Gegenteil tut.

Wie unsinnig Begriffe wie Blühfläche sind, mag ein Vergleich zeigen. Sprechen wir von einer Blühfläche, könnten wir auch einem Maisacker meinen oder einen Fichtenwald. Sogar ein Schilfbestand im Wasser blüht. Aus allem eine Blühfläche zu machen, verwischt sämtliche Grenzen und Unterscheidungsmöglichkeiten. Da darf man alles in die Saatgutmischung hinein packen, es blüht ja. Durch diese allgemeine Begriffsverwirrung kann die Saatgutlobby ihre für Insekten untauglichen Mischungen weiter vermarkten. Man braucht nur Blühmischung zu sagen und schon benötigt man kein echtes heimisches Wildblumensaatgut mehr. Das nämlich ist sehr teuer in der Produktion, muss unter kontrollierten Bedingungen in Deutschland angebaut werden, und – das ist die Crux – das Ausgangssaatgut für die weitere Vermehrung darf nur aus Wildbeständen in Deutschland stammen.

Und dabei haben wir ja noch nicht einmal betrachtet, ob diese Art von Blühmischungen überhaupt funktionieren und was aus ihnen in den Jahren nach der Ansaat wird. Wir haben noch keine einzige Blühmischung gesehen, die längerfristig funktioniert. Das sind alles Feuerwerksmischungen. Wenn es gut geht, sehen sie im ersten und vielleicht auch noch im zweiten Jahr super aus, dann aber kommt der Absturz. Selbst der vielgelobte Mössinger Sommer ist in der Regel nur ein Jahr gut, danach übernehmen oft Unkräuter aus der Samenbank das Regime. Und bei zwei Tests von LWG-Hybrid-Mischungen aus Exoten und heimischen Wildpflanzen dünnte sich das langfristige gedachte Artenspektrum nach nur wenigen Jahren enorm aus.

So sehen die meisten Blühmischungen nach kurzer Zeit aus: Unkraut (z.B. Melde, Gänsefuss) überwuchert die bunten Blumen.

Wir plädieren dafür, die Worte Blühmischung und Blumenwiese wieder so zu verwenden, wie es wirklich Sinn macht. Blühmischungen sind temporäre Ansaaten, meistens für ein, maximal für fünf Jahre gemacht. Sie bestehen häufig aus einjährigen oder kurzlebigen Blütenpflanzen, die meistens nicht heimisch sind. Ihr Wert für den Artenschutz ist in der Regel marginal. Wildblumenwiesen hingegen sind dauerhafte Lebensgemeinschaften heimischer mehr oder weniger mahdverträglicher Wiesenarten für lange Zeiträume. Ihre Pflege ist auf langfristigen Erhalt ausgerichtet und ihre Bedeutung für den Artenschutz ist unbestreitbar groß. Vergessen wir nicht, dass 90 % unserer rund 15.000 pflanzenfressenden Insekten auf heimische Pflanzen angewiesen sind. Mit jeder exotischen Ansaat tragen wir also direkt zum Artensterben bei.

So sieht eine von uns angesähte 100 % heimische Blumenwiese im dritten Jahr aus. Und sie wird bei passender Pflege mit jedem Jahr schöner.